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Studierende berichten: Geomatik-Herbst-Kolloquium Dezember 21

13. Dezember 2021

Codiac – Wie eine Schweizer Entwicklung das Geoid noch exakter definiert

Als letztes Kolloquium des Semesters, stand das Thema «Moderne Lotabweichungsmessung mit der Zenitkamera CODIAC» auf dem Programm. Der Referent, Daniel Willi, Leiter der geodätischen Landesvermessung swisstopo, führte durch eine spannende Präsentation zum hochmodernen CODIAC, warf zuerst aber einen Blick zurück.

Bereits 273– 194 v. Chr. erkannten griechische Astronomen, dass die Erde eine Kugel ist. Sie konnten Erdradiusmessungen durchführen, die auf 10% genau waren. Somit war das auch der Anfang der Lotabweichungsmessung. Durch Erdradiusmessungen stellte man zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert fest, dass es in den Messungen Diskrepanzen gab, die jedoch unerklärt blieben. Carl Friedrich Gauss konnte im 19. Jahrhundert erstmals ein Geoid berechnen. Das Geoid zeigt die Unregelmässigkeiten des Erdschwerefeldes auf und begründet die Differenzen, die dabei entstehen. Seitdem werden Lotabweichungen zur Korrektur von geodätischen Messungen eingesetzt.

Was sind Lotabweichungen?

Die Lotabweichung ist in der Geomatik ein wichtiger Begriff, denn sie muss bei genauen vermessungstechnischen Anwendungen berücksichtigt werden. Doch was genau muss man berücksichtigen? Mit Hilfe der astronomischen und der geodätischen Position kann die Differenz bestimmt werden und man kann daraus die Lotabweichung berechnen. Die Lotrichtung ist abhängig vom Schwerefeld. Nun kann mit einer Zenitkamera die genaue Richtung bzw. die Lotabweichung bestimmt werden (siehe Abb.1), indem man die Sterne digital fotografiert.

Lotabweichung
Abbildung 1: Rot: geodätische Position, Blau: astronomische Position

Wieso muss die Lotabweichung bestimmt werden?


Die Bestimmung der Lotabweichung hat einen wichtigen Nutzen für die Landesvermessung. Vor allem beim Ausgleichen von grossen Triangulationsnetzen ist die Lotabweichung bei der Berechnung nicht wegzudenken. Dies spielt in der Schweiz, mit ihrer markanten Topografie, eine wichtige Rolle. Weiter wurde sie früher für die Zeitbestimmung von Observatoren verwendet. Auch in der Ingenieurvermessung muss sie bei komplexeren Aufgabenstellungen mit entsprechenden Genauigkeitserwartungen berücksichtigt werden. Doch mit der Einführung der GNSS Systeme, «the gamechanger», wie sie Daniel Willi nennt, ist sie von noch grösserer Bedeutung. Mit GNSS stieg auch die Wichtigkeit des Geoids. Das Geoid ist eine ausgewählte Äqui-potentialfläche mittlerer Meeresspiegel des Erdschwerefeldes und dient als Referenzfläche für die Höhenbestimmung. Jedoch werden mit GNSS ellipsoidische Höhen gemessen. Für die meisten Anwendungen werden aber orthometrische Höhen gebraucht. Diese Umrechnung erfolgt mittels der Geoidundulation. Orthometrische Höhen beziehen sich auf das Geoid und ellipsoidische Höhen auf das Ellipsoid.

Die Zenitkamera Codiac

CODIAC ist die Abkürzung für Compact Digital Astrometric Camera. Es ist das neuste Gerät der Schweiz, um Lotabweichungen festzustellen. Von dieser Zenitkamera (siehe Abb.2) gibt es zwei baugleiche Exemplare, welche von der swisstopo genutzt werden. Die beiden Geräte wurden von der ETH Zürich entwickelt und gebaut und sind darauf ausgelegt, mit höchster Präzision zu messen. Die atemberaubende Genauigkeit des Gerätes beträgt 0.05 Bogensekunden, das heisst auf 4 km Länge 1 mm Querabweichung. Durch die Beobachtung der Sterne mit der Zenitkamera wird die astronomische Position des Punktes unter dem CODIAC bestimmt. Dieses Messverfahren wurde schon vor über 2000 Jahren benutzt. Auch alle Vorgängermodelle des CODIAC funktionieren nach demselben Prinzip. Durch die komplette Neuentwicklung der Mechanik und dem Einsatz neuster elektronischer Komponenten sowie der neu entwickelten Software des Gerätes, konnte eine höhere Genauigkeit im Vergleich zu den Vorgänger-Modellen erreicht werden.

Abbildung 2: Die Zenitkamera CODIAC (Quelle: S. Guillaume, 2015)

Der Messablauf mit dem CODIAC erfolgt immer gleich. Damit die Zenitkamera in der Dunkelheit die Sterne beobachten kann, wird nur nachts gemessen. Zuerst wird die Lage des Punktes mit dem GNSS bestimmt. Anschliessend wird der CODIAC über dem Punkt aufgestellt und exakt auf das örtliche Schwerefeld horizontiert (siehe Abb.3). Nachdem die Kalibrierung der Kamera abgeschlossen ist, welches einmal pro Nacht gemacht werden muss, wird gemessen. Die Messung wird in zwei Lagen durchgeführt. Zusätzlich wird das Gerät nach jeder zweilagigen Messung um 90 Grad gedreht, so dass es schlussendlich 4 zweilagige Messungen ergibt. Dieses Prozedere wird benötigt, um Geräteabweichungen zu eliminieren. Bei der Auswertung der Messung werden danach all diese Bestimmungen gemittelt was den Schwerepunkt des eigentlichen Messpunktes ergibt.

lotbestimmung
Abbildung 3: Ein Mitarbeiter der swisstopo horizontiert den CODIAC über einem Punkt

Der CODIAC wird von der swisstopo seit 2020 genutzt. Er wurde aber schon vorher für ein Projekt in die USA ausgeliehen. In der Schweiz wird CODIAC verwendet, um die ältesten, noch analog oder mit Vorgänger-Geräten gemessenen Lotabweichungen zu erneuern. Ein anderes grosses Projekt, welches momentan aktuell ist, ist die genaue Geoidbestimmung für das Kernforschungszentrum CERN in Genf. Das CERN benötigt rund um Genf für den Bau einer 100 km langen kreisrunden Röhre eine höchstgenaue Bestimmung des Geoids. In dieser Röhre, welche erst noch gebaut werden muss, sollen einst hochenergetische Teilchen aufeinanderprallen. Dieses Projekt vom CERN trägt den Namen Future Circular Collider (FCC).

Der Vortag von Daniel Willi war äusserst spannend. Die CODIAC ist ein topmodernes und hochgenaues Gerät, um Lotabweichungen zu bestimmen, um damit das Geoid mit einer noch nie dagewesenen Genauigkeit zu berechnen. Falls Sie den Vortrag verpasst haben, können Sie ihn gerne auf unserem YouTube-Kanal anschauen.

Autoren: F. Waltisberg und S. Baumeler, Studenten Bachelor in Geomatik im 1. Semester
Bilder: Folien des Referenten D. Willi

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