Allgemein

Geomatik-Herbst-Kolloquium: Polizei im Hörsaal

5. Oktober 2022

Für das Geomatik-Herbst-Kolloquium am 27.9.22 besuchte uns dieses Mal Kalin Müller von der Kantonspolizei (Kapo) Aargau. Als Gis-Spezialistin ist sie dabei seit gut drei Jahren Mitarbeiterin im Lage- und Analysezentrums. Dort ist ein interdisziplinäres Team aus Polizei und Kriminolog:innen verantwortlich für die Beschaffung, Aufbereitung und Analyse raumbezogener Daten, welche u.a. zur Einsatzplanung und Verbrechensaufklärung bereit gestellt werden.

Der Vortrag gliederte sich in zwei Teile. Zunächst wurden die Herausforderungen erläutert, vor denen das Team in seiner täglichen Arbeit steht. Neben der Breite an eingesetzter Spezialsoftware, erschwert auch der Datenschutz und rechtliche Grenzen den Austausch und die Bündelung der benötigten Daten. Während Cloud Lösungen für viele Bereiche mittlerweile zum Standard gehören, lassen sie sich durch ihre Dezentralität nicht für sensible Informationen nutzen. Insellösungen wie lokale Datenbanken führen hingegen dazu, dass jede Kantonspolizei ihre eigenen Daten besitzt und der Austausch sich oft kompliziert gestaltet.

Der zweite Teil handelte von den eingesetzten Analysemethoden und ihrer visuellen Darstellung in Karten und Dashboards. Diese unterscheiden sich je nach Aufgabenfeld. In der taktischen Kriminalanalyse werden fortlaufend Daten ausgewertet, um Lagebilder zu erstellen, welche serielle Kriminalität (Einbrüche, Diebstähle) in ihrer räumlichen und zeitlichen Dimension erfassen.  Im klassischen «Point Mapping» wird die Ereignisdichte von Taten in interaktiven Dashboards dargestellt. Durch diverse Filter und Gruppierungsmethoden lassen sich Serien und Hotspots identifizieren und an die Einsatzleitung weitergeben.

Die strategische Kriminalanalyse befasst sich weniger mit Lagebildern als mit der statistischen Analyse von Vorfällen. Eine Methode ist dabei die Entwicklung von Risikokarten über die Kerndichteschätzung. Hier wird über die Interpolation von Punkten eine farbliche Kodierung von Flächen vorgenommen, die das Risiko eines Vorfalls bewerten. Im Gegensatz zum zeitnahen Lagebild, handelt es sich hierbei vor allem um eine Technik für lange Zeiträume, da eine ausreichend grosse Datenmenge für die Güte der Karte entscheidend ist.

Gegenüber solchen retrospektiven Massnahmen blickt das «Predictive policing» in die Zukunft: Aus der räumlichen und zeitlichen Lokalisierung vorheriger Taten einer Serie, lässt sich eine Abschätzung ableiten, wo weitere mögliche Tatorte liegen könnten. Dies könnten zum Beispiel weitere Standorte einer Supermarktkette sein, oder Gebäude an einer vom Täter vielgenutzten Strasse. Die dabei eingesetzte Software, wie z.B. «Precobs», kann nach entsprechendem «Training» mit realen Daten automatisierte Bewertungen und Prognosen vornehmen, diese müssen jedoch immer von den Operateuren verifiziert werden. Eine weitere Methode der operativen Kriminalanalyse ist das «Geoprofiling» (CGP). Aus unbewussten Täterhandlungen im Raum wird dabei versucht, den «Ankerpunkt» des Täters zu schätzen. Einen solchen Ankerpunkt stellt zumeist der Wohnort dar. Dabei macht man sich die Annahme zu eigen, dass vor einer Tat eine Risiko-/Nutzen Abwägung stattfindet und ein möglichst geringer Aufwand seitens des Täters angestrebt wird. Präferiert werden demnach bekannte Gebiete, die nahe, aber nicht unmittelbar am Ankerpunkt liegen und in denen Faktoren wie die Polizeipräsenz oder Zugangsrouten bekannt sind. Mittels einer statistischen Schätzung wird versucht, den Ankerpunkt auf wahrscheinliche Gebiete einzugrenzen. Auch diese Methode kann nur bei Serien eingesetzt werden, da die Anzahl an berücksichtigten Punkten (z.B. Tatorten) die Genauigkeit erhöht.

Zuletzt spielen Standortdaten auch bei der Kommunikation eine grosse Rolle. In der Auswertung von Telefon und GPS-Daten können Bewegungsprofile erstellt und mithilfe von Software wie z.B. «Geotime» dreidimensional visualisiert werden. Dabei wird der Raum als Karte repräsentiert, auf dem in der dritten Achse dann die Bewegung dargestellt ist. Solche Bewegungsprofile können raum-zeitliche Übereinstimmungen oder Verbindungen zwischen Personen aufdecken und helfen Indizienketten auszubauen, oder aber Personen zu entlasten.  Gerade im Bereich der Bandenkriminalität (z.B. BTM) lassen sich die Daten verschneiden und auch für Beziehungsdiagramme nutzen.

zurück zu allen Beiträgen

Kommentare

Keine Kommentare erfasst zu Geomatik-Herbst-Kolloquium: Polizei im Hörsaal

Neuer Kommentar

×