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Neue Bachelor-Studienform: Freiform startet im Herbst

In der Freiform lernen die Studierenden kompetenzorientiert nach ihren individuellen thematischen Interessen und in ihrem Rhythmus. In Projekten erarbeiten sie ihr Wissen zusammen mit Fachpersonen aus der Praxis und Hochschule. Im Herbst 2019 startet die neue Studienform als Pilot an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW.

Eingebettet in die neue Strategie der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW haben Studierende, Fachpersonen aus der Praxis und Mitarbeitende der Hochschule seit Januar 2017 in einem gemeinsamen Prozess die Freiform entwickelt. Sie ist im Bachelor-Studium Soziale Arbeit neben Vollzeit, Teilzeit und berufsbegleitend die vierte Studienform und startet im Herbst 2019 als Pilot mit rund 30 Studierenden.

Selbst Projekte entwickeln, anstatt Vorlesungen besuchen

Wer sein Studium gerne selbst in die Hand nimmt und seine Kompetenzentwicklung selbst gestaltet und steuert, ist in der Freiform genau richtig. Die Studierenden, die Mitarbeitenden aus der Hochschule und die Fachpersonen aus der Praxis bilden eine Community, in der sich alle auf Augenhöhe begegnen. Alle Beteiligten aus den drei Bereichen bringen ihre Erfahrungen und ihr Wissen ein, unterstützen sich gegenseitig und lernen voneinander. Dies tun sie, indem sie in selbst organisierten Projekten offene Fragen zu gesellschaftlichen Herausforderungen bearbeiten. Die Prozesse werden durch eine neue digitale Plattform unterstützt, auf der die Community über die Organisationsgrenzen hinweg Wissen teilen und sich austauschen kann.
Alle können ihre Ideen einbringen. Zum Beispiel kommt jemand aus einer Praxisorganisation mit einer Fragestellung zum Thema Migration. Mitarbeitende aus der Hochschule stossen dazu, weil sie genau in diesem Bereich forschen. Wenn sich nun noch Studierende für das Thema interessieren und mitarbeiten möchten, kann das Projekt starten.

Profilbildung im Studium dank selbst gewählter Themen

Ein weiteres wichtiges Prinzip der Freiform ist, dass sich die Studierenden in der Community selbst organisieren. Sie bestimmen selbst, wie sie ihre Kompetenzen entwickeln. Diese Lern- und Arbeitsweise ermöglicht es, dass die Studierenden bereits während des Studiums ihr individuelles berufliches Identitätsprofil bilden. Für die Freiform gilt zwar das gleiche Kompetenzprofil als Referenzrahmen wie für die anderen drei Bachelor-Studienformen, aber die inhaltlichen Schwerpunkte werden selbst gesetzt.
Die entwickelten Kompetenzen dokumentieren und reflektieren die Studierenden über die gesamte Studienzeit in einem Portfolio. Während des Portfolio-Prozesses werden die Studierenden von einem Co-Coaching-Team begleitet, das aus einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin der Hochschule und einer Fachperson aus der Praxis besteht. Sie bieten Orientierung und geben Feedback zur Kompetenzentwicklung der Studierenden.

Die Bewertungen erfolgen im Konsentverfahren

Neben den Standortgesprächen im Portfolio, die der Steuerung der Kompetenzentwicklung dienen, weisen die Studierenden in der Praxisphase nach, dass sie die Interaktion mit Klienten und Klientinnen der Sozialen Arbeit gestalten können. In der Praxisarbeit zeigen sie, dass sie die sozialarbeiterischen Handlungsschritte von der Analyse bis zur Evaluation beherrschen. Mit der Bachelor Thesis weisen sie nach, dass sie eine Fragestellung entwickeln und nach wissenschaftlichen Massstäben beantworten können. Am Ende legen sie im Portfolio-Nachweis dar, dass sie die Professionskompetenz gemäss dem Kompetenzprofil des Bachelors in Sozialer Arbeit entwickelt haben. Die Bewertung der Nachweise geschieht im Trialog, der sich aus der Studentin oder dem Studenten und je einer Vertretung aus der Hochschule und Praxis zusammensetzt. Hat keine Partei einen schwerwiegenden Einwand, wird gemeinsam die Bewertung «erfüllt/nicht erfüllt» vorgenommen. Ist im Konsent keine Einigung möglich, trägt eine Meditation zur Verständigung bei. Erst danach folgt ein fachliches Gutachten mit allfälligem Rechtsweg. In der Freiform werden die Studierenden darin gestärkt, eine realistische Selbsteinschätzung zu entwickeln.

Weitere Informationen: www.freiform.org

Interview: «Fehler sind Ausgangslage für Kreativität und Innovation»

Portrait von Günther WüstenGünther Wüsten*, ist die Freiform für alle Studierenden geeignet?

Angehende Studierende können sich fragen: Bin ich jemand, der gerne frei arbeitet und seinen Weg selbst gestaltet? Dann bin ich in der Freiform sehr gut aufgehoben. Oder bin ich eher jemand, der eine gute Orientierung durch einen verbindlichen Modulplan wünscht? Dann ist der modularisierte Studiengang richtig für mich. Das heisst nicht, dass die eine Studienform besser wäre als die andere. Es handelt sich einfach um zwei verschiedene Lerntypen.

In der Freiform können die Studierenden zwar ihren Weg selbst wählen, sie müssen sich das Fachwissen aber auch selbstständig in Projektarbeiten aneignen. Ist das nicht anstrengender als in den anderen Studienformen, in denen pro Modul ein Thema behandelt wird?

Die Freiform ist sicher zeitintensiver, aber meiner Meinung nach nicht anstrengender. Denn wenn ich meine Energie in Projekte investiere, die mich wirklich interessieren, fällt mir das Lernen viel leichter, als wenn ich die Inhalte eines Moduls auf eine Abschlussprüfung hin auswendig lernen muss. Zudem wird das Wissen direkt in Projekten angewendet und so besteht ein fliessender Theorie-Praxis-Transfer. Die Studierenden sind zur Unterstützung in eine funktionierende Community mit Fachpersonen aus der Praxis und der Hochschule eingebettet. Wenn es Schwierigkeiten gibt, haben sie schnell mehrere Ansprechpersonen, die ihnen weiterhelfen.

Auf der Website www.freiform.org steht, dass «Scheitern und Fehler machen als wichtiger Teil des Entwicklungsprozesses» verstanden werden. Haben Sie vor, zu scheitern?

Also Scheitern ist die Extremform. Vorher gibt es zuerst Fehler. Fehler zu machen ist Teil der Normalität, nichts Schlimmes also. Aber in unserem Bildungssystem werden wir darauf trainiert, dass Fehler unerwünscht sind, für Kritik sorgen und mit schlechter Beurteilung sanktioniert werden. Dabei sind Fehler Ausgangslage für Kreativität und Innovation. Wenn Fehler passieren, werden meist neue Wege nötig, um Probleme zu lösen – eine Einladung also zur Kreativität.

Werden die Studierenden aus der Freiform besser auf das Arbeitsleben vorbereitet sein als die Studierenden aus den regulären Studienformen?

Ich finde, das kann man nicht so allgemein sagen. In der Freiform können die Studierenden zwar bereits während des Studiums ihr Profil stärker schärfen, da sie die Themen selbst wählen können, an denen sie arbeiten möchten. Andererseits müssen alle Studierenden, ob Freiform oder regulärer Studiengang, das gleiche Kompetenzprofil erfüllen. Auch sind in der Arbeitswelt die Anforderungen unterschiedlich. Verschiedene Abschlussprofile erhöhen die Chance einer besseren Anpassung an den Bedarf in der Praxis.

* Prof. Dr. Günther Wüsten ist Mitarbeiter der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW und Freiform-Pilot.

Die vier Studienformen im Überblick

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