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Aus dem Unterricht: Wenn er twittert, springen alle

Am 16. April 2019 folgte der US-Korrespondent Alan Cassidy der Einladung eines Dozenten an die Hochschule für Wirtschaft FHNW in Basel. Per Videochat gewährte er über 60 Studierenden Einblicke in seine Arbeit und in sein Leben als US-Korrespondent in Washington.

Seit mehr als eineinhalb Jahren arbeitet der Journalist Alan Cassidy für die Schweizer Tamedia-Gruppe und die Süddeutsche Zeitung als US-Korrespondent in Washington. Seither ist sein Alltag vor allem spontaner und reaktiver geworden. Der Medienwandel und die Nähe Donald Trumps zu den sozialen Medien, insbesondere zu Twitter, beschleunigen die Informationsflüsse zusätzlich und stellen den Journalismus vor neue Herausforderungen.

Social-Media-Kommunikation aus dem Weissen Haus

Wenn ein einzelner Mensch von einem kleinen mobilen Endgerät wenige Zeichen losschickt, kann das hohe Wellen schlagen. Sobald wieder eine Mitteilung aus dem Weissen Haus auf den Smartphones der Journalisten aufleuchtet, herrscht für kurze Zeit Ausnahmezustand. Denn frühere Kommunikationsrichtlinien werden vom 45. Präsidenten der USA nicht mehr respektiert: Offizielle Briefings werden aufs Minimum reduziert, stattdessen wird der Bevölkerung vieles – mit unterschiedlichem Wahrheitsgehalt – direkt über Social Media verkündet.

Der informative Vorsprung der akkreditierten Journalisten in Bezug auf Neuigkeiten schwindet – wenn er überhaupt noch existiert. Deshalb konzentrieren sich Alan Cassidy und seine Kolleginnen und Kollegen heute auf die Beschaffung von Hintergrundinformationen. Alle möchten an die verlässlichsten Informationen gelangen und eigene Fragen stellen. Für Alan Cassidy als Auslandskorrespondent eine schwierige Aufgabe: «An Medienkonferenzen mit Trump im Weissen Haus sind wir als Ausländer nicht interessant, weil da in der Regel nur die Fragen der US-Kollegen beantwortet werden. Wir bemühen uns deshalb um Einschätzungen von anderen Seiten und eigene Reportagen, von denen uns die meisten raus aus der Politblase von Washington führen.»

Der Medienwandel verändert den Journalismus

Unser Medienkonsum verändert sich, der Journalismus passt sich an. So dreht Alan Cassidy in seinem Berufsalltag inzwischen auch Videos. Denn wir Nutzerinnen und Nutzer lieben audiovisuelle Inhalte. Nachrichtliche Texte müssen kurz sein, damit sie für die mobile Nutzung geeignet sind.

Für viele Studierende ist neu, dass schon heute Textroboter einfach strukturierte Medieninhalte wie Wetter- oder Sportnachrichten verfassen. Alan Cassidy sieht das gelassen. So stehe mehr Zeit für aufwändigere Projekte zur Verfügung. Aber geht das nicht auf Kosten der Qualität der Berichterstattung? Alan Cassidy verneint. Es bestehe weiterhin ein Bedürfnis nach gut recherchiertem Hintergrundjournalismus. Der hat allerdings seinen Preis und ist zunehmend auch online nur gegen Bezahlung erhältlich, geschützt durch sogenannte Paywalls. Anfangs empfand Alan Cassidy Paywalls als nachteilig, weil er als Journalist eine grosse Leserschaft erreichen möchte. Inzwischen sieht er in ihnen eine gute Möglichkeit, um zeit- und kostenintensiven Journalismus zumindest teilweise zu finanzieren.

Immer erreichbar

Trump hat die Kommunikation im Weissen Haus auf den Kopf gestellt. An jedem Tag und zu jeder Zeit kann er mit einem simplen Touch auf seinen Screen die Journalistinnen und Journalisten zum Schwitzen bringen. Das spürt auch Alan Cassidy: «Mein Arbeitgeber erwartet von mir auf diesem Job ständige Erreichbarkeit. Wenn etwas geschieht, dann muss ich bereit sein.»

Traumjob Auslandskorrespondent

Trotz dieser Nachteile, der ständigen Erreichbarkeit, dem Stress, den unvorhergesehenen Tagesabläufen, geniesst Alan Cassidy sein Leben als US-Korrespondent. Für ihn ist es ein Traumjob: «Jeder Job hat seine Nachteile, bei mir sind es diese, dafür profitiere ich von anderen Freiheiten, die andere in ihrem Job nicht haben.» Dann schaut er auf die Uhr und muss weg.


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US-Korrespondent Alan Cassidy

An der Entstehung dieses Textes beteiligt waren: Daniele Arconzo, Mia Brunner, Coralie Frey, Andrea Mangold, Martina Martinovic und Clarissa Waldis.

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