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Aus dem Unterricht: «Die nackte Wahrheit»

Noch vor dem Ausbruch der Corona-Krise besuchten Studierende im Rahmen des Moduls Wirtschaftskommunikation Deutsch der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW Basel mit ihrem Dozenten das Stapferhaus in Lenzburg. Für die aktuelle Ausstellung «FAKE» verwandelte sich das Museum in das «Amt für die ganze Wahrheit».

Ein Text von Léonie Moine, Lukas Baumann und Elmedina Berisha.

Das «Amt für die ganze Wahrheit» hat neun Abteilungen, die sich alle einem bestimmten Aspekt von Wahrheit und Lüge widmen. Die Besucherinnen und Besucher werden aufgefordert mitzumachen und mitzudenken.

Die Wahrheit braucht dich!

Eingangs begrüsst der Chefbeamte die Studierenden persönlich. Er erscheint auf einer übergrossen Leinwand und spricht über die Brisanz des Themas und die Notwendigkeit seines Amtes. Sein Motto ist das der ganzen Ausstellung: «Die Wahrheit braucht dich.» In der Interaktion mit dem Chefbeamten merken die meisten Studierenden aber, dass sie die ganze Wahrheit gar nicht immer erfahren wollen: Es gibt Situationen und Fälle, in denen wünscht man sich angelogen zu werden. Mit dieser Einsicht kommt man weiter ins Grübeln: Wenn jede und jeder dazu bereit ist, in der Not auch mal zu lügen, wird es dann nicht bald schwierig, sich gegenseitig überhaupt noch zu vertrauen? Was hat das mit der aktuellen Diskussion um Fake News zu tun? Die sich öffnenden Türen reissen die Studierenden aus ihren Gedanken und entlassen sie auf die Flure der Behörde, auf die Suche nach der nackten Wahrheit.

Wenn der Lügendetektor lügt

Schon immer gab es von verschiedenen Seiten und aus unterschiedlichen Beweggründen ein Interesse daran, «Lügner*innen» zu überführen. Zum Beispiel mit einem Lügendetektor. Ein solcher steht im «Labor für Lügenerkennung». An seinen Armlehnen sind Sensoren für die Zeigefinger befestigt, welche den Herzschlag einer verhörten Person messen. Die Grundidee eines Lügendetektors ist simpel: Menschen, die lügen, sind angeblich nervös und angespannt. Die Atmung wird schneller, sie fangen an zu schwitzen und der Puls geht nach oben. Wissenschaftlich anerkannt ist die Methode der Lügenerkennung mittels Detektor nicht. Ein Student stellt sich dem Test, seine Kommilitoninnen und Kommilitonen ergreifen die Chance und fragen ihn aus. Doch statt mehr Wahrheit ans Licht zu bringen, stellt sich die neue Frage: Was passiert, wenn der Lügendetektor lügt?

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Fakten oder Fake News?

Die Medienstelle für alte und neue Fake News zeigt, dass es das Phänomen der Irreführung durch Falschmeldungen schon seit Menschengedenken gibt. Ein Beispiel aus der Geschichte: Im Jahr 1917 entstanden die später berühmt gewordenen Elfen-Fotos der Cottingley Fairies. Mädchen hatten beim Spielen tanzende Elfen abgelichtet. 1920 gelangten die Fotos an die Presse und galten als Beweis für die Existenz von Elfen. Erst 1978, 58 Jahre später, wurden die Fotos als einfache Fälschungen entlarvt. Und heute? Im Social Web haben Lügen lange Beine. Fake News und Deep Fakes verbreiten sich dort rasend schnell. Und selbst wenn Unwahrheiten schnell als solche identifiziert werden, sind sie kaum noch aus der Welt zu schaffen, das erleben wir gerade in der Zeit von COVID 19, in der Verschwörungstheorien Hochsaison haben. Der Schaden für ganze politische und wirtschaftliche Systeme kann immens sein. Die Ausstellung «Fake» will das Bewusstsein für die Wahrheit und die kritische Wahrnehmung von Informationen stärken.

Staatliche Wahrheitswächter

Es ist übrigens nicht abwegig, dass sich das Stapferhaus ausgerechnet zum «Amt für die ganze Wahrheit» verwandelt. Auch von staatlicher Seite wird immer wieder versucht, dem Problem Herr zu werden. Doch wo liegen die Grenzen zwischen Lüge und Wahrheit, zwischen notwendiger Eindämmung der Irreführung von Menschen und Zensur? Wer definiert, was wahr ist? Wir erleben, dass ausgerechnet Donald Trump in seinem hohen Amt als Präsident der Vereinigten Staaten erwiesener Massen Fake News verbreitet, aber zugleich seine Gegner regelmässig mit Fake-News-Vorwürfen konfrontiert. Wann handelt es sich also um eigene, vielleicht irreführende Propaganda, wann um notwendige Fake-News-Bekämpfung? Die EU beispielsweise identifiziert seit 2015 mit der «East StratCom Task Force» des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) Falschmeldungen und deckt wahre Hintergründe von absichtlich gemachten Falschmeldungen auf, inzwischen gibt es zahlreiche Fakten-Checker.

Das Stapferhaus zeigt – unter besonderen Vorkehrungen zum Schutz vor COVID 19 – bis 28. Juni 2020 die Ausstellung «FAKE. Die ganze Wahrheit». Wir finden: Ein Besuch lohnt sich in diesen Zeiten mehr denn je.

Weitere Informationen

Dieser Text entstand im Rahmen des Kurses Wirtschaftskommunikation im Studiengang Betriebsökonomie.

Webpage BSc Betriebsökonomie

Webpage Stapferhaus

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