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Wie kann die Dorfbevölkerung vernetzt werden?

Verdichtetes Bauen, Wachstum und Mobilität sind aktuelle Themen – auch in kleineren Gemeinden. Dadurch haben Menschen das Gefühl, dass sie ihren eigenen Wohnort nicht mehr kennen. Die Gemeinde Suhr wirkt dem entgegen und startete mit der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW das Projekt «Quartierentwicklung».

Suhr (AG), Samstagnachmittag: Ein junger Mann repariert einen PC, ein älterer Herr schaut, warum die Nähmaschine nicht mehr funktioniert und eine Damenschneiderin flickt alles, was sich nähen lässt. Kinder beschäftigen sich mit Spielen und die Erwachsenen verkürzen sich die Wartezeit bei Kaffee und Kuchen. Altem und Defektem wird im «RepairCafé» neues Leben eingehaucht – gegen den Ressourcenverschleiss und die wachsenden Abfallberge. «Am besten gefällt mir die Atmosphäre hier», sagt eine Besucherin. Und ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass man bei einem Kaffee andere Einwohnerinnen und Einwohner kennenlernt und ins Gespräch kommt.

Defekte Sachen werden wieder funktionsfähig gemacht im «RepairCafé» Suhr. (© «Repair-Café» Suhr)

Defekte Sachen werden wieder funktionsfähig gemacht im «RepairCafé» Suhr. (© «Repair-Café» Suhr)

Abwechslungsreiches Angebot

Gestartet hat die Projektleiterin der Quartierentwicklung Suhr, Anna Greub, respektive ihre Vorgängerin vor zwei Jahren mit nicht viel mehr als einem Auftrag und einem dicken Stapel Papier, in dem Ziele und Erwartungen definiert waren. Heute sind zwei Nachbarschaftshäuser, ein Gemeinschaftsgarten und ein Container als Treffpunkt für Kinder vorhanden, es gibt ein «RepairCafé», einen Computertreff, einen Teetreff am Mittwochnachmittag und das «Pasta e Basta» am Freitagabend. Das alles wird unterstützt von Anna Greub, ihrem Team und der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW. Entwickelt und umgesetzt aber haben es die Suhrerinnen und Suhrer. «Wir nehmen Ideen aus der Bevölkerung auf und schauen gemeinsam, was machbar und umsetzbar ist. Es ist immer ein Zusammenspiel, ein gemeinsamer Prozess der Ideenentwicklung», sagt Greub.

Das Projekt

In Suhr weist mehr als ein Drittel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund auf. Über 10'000 Menschen leben heute in einer Gemeinde, die sich zwischen dem Zentrum Aarau und der Autobahn eine neue Bedeutung geben möchte. «Ich finde, Suhr ist sehr proaktiv und innovativ», sagt Anna Greub. Denn die Verantwortlichen der Gemeinde stellten fest, dass die zunehmende Mobilität der Bevölkerung, der Individualismus und eine heterogene Zusammensetzung einer wachsenden Gemeinde viele Herausforderungen mit sich bringen. In Suhr sind zudem zwei Quartiere durch ein grosses Industriegebiet sowie SBB-Geleise und Kantonsstrasse vom übrigen Dorf abgeschnitten. Zudem möchte Suhr, dass der Dialog zwischen Jung und Alt gestärkt werden kann, sozial benachteiligte Menschen vermehrt für Aktivitäten in der Gemeinde gewonnen werden können und alle Dorfteile besser miteinander verbunden sind.
Die Suhrer Politik nahm sich dieser Herausforderungen an und lud zuerst einmal die Fachleute aus dem Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW ein. Gemeinsam veranstalteten diese dann Workshops mit der Bevölkerung, definierten Handlungsfelder und formulierten ein Konzept. Darin werden die Ziele der Quartierentwicklung Suhr definiert:

  • Sicherung einer hohen Lebensqualität für alle Bewohnerinnen und Bewohner
  • Erhaltung und Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts
  • Ermöglichung der Teilhabe am Leben in der Gemeinde
  • Förderung der sozial verträglichen räumlichen Entwicklung von Suhr
Daniel Rüetchi, Gemeinderat Suhr

«Die Quartierentwicklung bringt Menschen zusammen und hilft damit, ein soziales Netz zu knüpfen.»

Daniel Rüetschi, Gemeinderat Suhr, Ressort Soziales, Gesellschaft und Gesundheit

Halbzeit – wie geht es weiter?

Vor zwei Jahren startete das Projekt «Quartierentwicklung Suhr». Nun hat es Halbzeit.
Anna Greub sagt, dass nun die Phase der Verstetigung komme. «In den beiden letzten Jahren konnten wir sehr viel erproben und haben gemerkt, welche Bedürfnisse die Suhrerinnen und Suhrer haben.» Inputs für neue Ideen erhält Anna Greub jeweils von der Bevölkerung direkt oder auch über Gespräche mit anderen Fachpersonen der Gemeinde, wie die Leiterin des Familientreffpunkts Su(h)rrli. So ist beispielsweise auch die Idee für die PC-Kurse entstanden, die sich an Leute richten, die keinen PC zur Verfügung haben, um beispielsweise Bewerbungen für Stellen oder Wohnungen zu schreiben. Doch nicht nur im Dialog mit den Suhrerinnen und Suhrern wird das Projekt vorangetrieben und weiterentwickelt. Fragen wie «Was ist geschehen seit dem letzten Treffen? Wer soll in eine neue Angebotsidee einbezogen werden und welches sind die nächsten Entscheidungen, die zu fällen sind?» werden in regelmässigen Sitzungen gemeinsam aus der Perspektive der Hochschule, der Praxis und der operativen Leitung vor Ort diskutiert. «Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Professionen ist zentral und ein wichtiger Faktor für das Gelingen des Projekts», ist Prof. Dr. Matthias Drilling, wissenschaftlicher Leiter des Projekts, überzeugt. Nach dem Ende des Projekts soll das Wissen dazu in einem Buch weitergegeben werden.
Die Quartierentwicklung Suhr will allen Menschen Möglichkeiten eröffnen, sich aktiv ins Gemeindeleben einzubringen und sich zu vernetzen. An diesen Gelegenheiten wird es auch im Jahr 2019 nicht mangeln. Ein Schwerpunkt der Arbeit von Anna Greub im nächsten Jahr wird die städtebauliche Entwicklung des Dorfteils «Suhr Süd» sein. Der alte Kindergarten wird frei und es wird darin ein Begegnungsort geschaffen, der sich zu einem Quartiertreffpunkt entwickeln soll. Mit der Gemeinde Suhr wird geprüft, was das Quartier braucht. Und Anna Greub wird diesen Prozess begleiten und aufgleisen, damit etwas entsteht, wo sich viele einbringen, profitieren und vernetzen können – wie beispielsweise im «RepairCafé».

«In unserer modernen Gesellschaft gibt es Menschen, die keine grundlegenden Computerkenntnisse haben. Sie hatten schlicht keine Möglichkeit, dies zu lernen. Ich helfe ihnen, wie sie ihre eigenen Dinge am Computer selbstständig erledigen können. Dazu gehören E-Mails schreiben, eine Wohnung oder einen Job im Internet suchen.»

Berihun Wagaw, Leiter Computertreff

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