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Unterstützung beim Berufseinstieg für Jugendliche mit Herausforderungen in mehreren Lebensbereichen? Das Übergangssystem, Analyse und Empfehlungen.

Der Einstieg ins Berufsleben ist ein wichtiger Moment für Jugendliche. Stellen sich in mehreren Lebensbereichen gleichzeitig Herausforderungen, ist eine angemessene Unterstützung schwierig zu erhalten. Ein Forschungsteam der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW hat die Situation in der Schweiz analysiert und für Fachverwaltungen, fallführende und fallbegleitende Fachpersonen Vorschläge zur Verbesserung formuliert.

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Jährlich ist für etwa 80'000 Schüler*innen die obligatorische Schulzeit vorbei. Allen stellt sich früher oder später eine Frage: Was mache ich nach der Schule?
Fragen zur Berufswahl oder der Lehrstellensuche sind das eine. Daneben stellen sich vielen Jugendlichen schon während der Schulzeit oder danach andere Herausforderungen im Leben, die bewältigt werden müssen. Fehlt ein stabiles Umfeld und kommen gesundheitliche oder persönliche Probleme oder schulische Herausforderungen zu diesen Fragen und Erwartungen dazu, kann der Einstieg in die Ausbildung oder die Arbeit scheitern. Zwar besteht ein breites Unterstützungssystem im Übergang in die Erwerbsarbeit, dennoch zeigt sich in der Praxis, dass die Angebote für junge Menschen mit Schwierigkeiten in mehreren Lebensbereichen noch ungenügend greifen. Im Forschungsprojekt der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW steht genau diese Situation im Fokus: «Unterstützung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Mehrfachproblematiken an den Nahtstellen I und II».

Übergänge und Blockaden

Die beiden Übergänge, von der Schule in die berufliche Grundbildung und von der Grundbildung in die Erwerbsarbeit, werden als Nahtstelle I und Nahtstelle II bezeichnet. Es sind wichtige biografische Momente, die grossen Einfluss auf die weitere Entwicklung einer Person haben. Und es sind Momente, die nicht für alle gleich leicht zu bewältigen sind: Einige Jugendliche sind gleichzeitig mit gesundheitlichen oder familiären Problemen konfrontiert, mit Lehrvertragsauflösungen oder finanziellen Missständen, mit verändernden Wohnsituationen, mit Jugenddelikten. Gelingt der Einstieg deswegen nicht, besteht ein erhöhtes, oft lebenslanges Armutsrisiko.

Das Forschungsteam, bestehend aus Prof. Dr. Dorothee Schaffner, Prof. Dr. Rahel Heeg, Lalitha Chamakalayil, Dipl.-Psych. und Dr. Magdalene Schmid, hat die Situation von jungen Menschen mit mehrfachen Belastungen und die verfügbaren Unterstützungsangebote in der Schweiz untersucht. Deutlich wurde: es braucht eine niederschwellige und bedarfsorientierte Beratung und eine Koordination der Hilfen. Dies wiederum erfordert eine interinstitutionelle Zusammenarbeit. Daher richten sich die Empfehlungen an unterschiedliche Handlungsebenen im sog. Übergangssystem. 

Mehrere Handlungsebenen…

Da die Berufsbildung wichtig für den weiteren Lebensverlauf ist, hat sich rund um das Berufsbildungssystem ein eigenes «Übergangssystem» etabliert. Verschiedene Angebote wie Berufsorientierung in der Volksschule, Berufsberatung, Brückenangebote, Mentoring, Lehrstellenvermittlung und Motivationssemester richten sich an Jugendliche und junge Erwachsene. Die Ausrichtung, Planung und Umsetzung der Angebote sind auf drei verschiedenen politischen bzw. organisationalen Ebenen angesiedelt: Kantonale Departements- und Amtsleitungen sind für die strategische Steuerung und Ausrichtung verantwortlich. Ämter, Dienste und Fachstellen koordinieren die Fallführung und finanzieren einzelne Massnahmen. Spezialisierte Anbietende führen die Fallbegleitung in Projekten zur Unterstützung von jungen Erwachsenen aus. Bei Problemen der Lehrstellen- und Berufsfindung kann so je nach Bedarf ein geeignetes Angebot vermittelt werden

«Das Attribut Mehrfachproblematik fokussiert primär auf die individuelle Problemlage der Jugendlichen. Dies birgt die Gefahr, Entwicklungen auf der systemischen Ebene, in dem sich Jugendliche zwischen Schule und Beruf bewegen, zu vernachlässigen. Der Mehrwert der vorliegenden Studie ist aus dieser Perspektive virulent; Sie beleuchtet ebenfalls die System-Ebene und regt die verantwortlichen Akteure an, auch vor der eigenen Haustüre zu kehren»

Benedikt Arnold, Geschäftsleiter, Strategiegruppe Jugendarbeitslosigkeit, Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt Basel

…mit mehreren Problemen?

Das Übergangssystem ist vielgestaltig und bietet für unterschiedliche Bedarfe Hilfen an. Treffen aber mehrere Probleme gleichzeitig zusammen, gerät dieses System an seine Grenzen. Die Hilfestellungen für den Berufseinstieg sind beispielsweise nicht darauf ausgelegt, familiäre Probleme zu thematisieren – selbst wenn dazwischen ein Zusammenhang besteht. Probleme bleiben unerkannt oder werden nicht korrekt identifiziert, weil die Fachstellen nur bestimmte Leistungen finanzieren können. Oft fehlt es an einer niederschwellige Abklärungsmöglichkeit, einer bedarfsorientierten Hilfe oder an finanziellen Rahmenbedingungen für Hilfsleistungen, die über die Berufswahl hinausgehen. Die betroffenen jungen Menschen oder deren Eltern selbst sind mit ihrer Situation überfordert. Probleme in anderen Lebensbereich werden so zu spät erkannt oder ungenügend thematisiert, selbst wenn es passende Hilfsangebote gäbe. Die starke Ausrichtung auf die Berufswahl und Vielfalt verschiedener Angebote wird zu einem Nachteil, weil die Koordination fehlt.

Das Forschungsprojekt hat diese Problemlage analysiert. Es zeigt sich, es braucht die geregelte interinstitutionelle Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen, um bedarfsorientierte und koordinierte Hilfen anbieten zu können. Daher richten sich die Empfehlungen an unterschiedliche Handlungsebenen im sog. Übergangssystem: die strategische Ebene, die fallführende und die fallbegleitende Ebene in Angeboten. Diese Empfehlungen werden knapp in einem Leitfaden für die Praxis ausgearbeitet. Anhand von zwei Praxisbeispielen wird verdeutlicht, wohin sich kantonale Strukturen entwickeln können. In Genf existiert «Cité des Métiers», in Basel-Stadt gibt es die «Strategiegruppe Jugendarbeitslosigkeit». Sie koordinieren die Tätigkeiten der involvierten Ämter bzw. Departemente auf unterschiedlichen Ebenen und stellen mit dem «Case Management Berufsbildung» eine zentrale Stelle für die Fallbegleitung bereit.

Ein Bericht und ein Leitfaden

Das Team der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW hat aus der Analyse, den Beispielen und Bedarfserfassungen neun Empfehlungen formuliert. Der Bericht beschreibt die Problemlagen und Lösungsansätze detailliert. Für die Umsetzung wurde zusätzlich ein Praxisleitfaden für Kantone, Städte und Gemeinden verfasst, indem sich Ratschläge und Umsetzungsempfehlungen finden. Bericht und Leitfaden können kostenlos bezogen werden.

Zum Download des Berichtes

Zum Download des Leitfadens

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